Hallo,
unser Schweizer Hobbyfreund @RLF hat pünktlich zur Vorweihnachtszeit eine Aufgabe unter den Baum gelegt: Eine Fahrt mit der Berliner S-Bahn auf der Linie S9 von Spandau (bei Berlin
) über Westkreuz bis zum Ostkreuz.
Im Sommer 2008 ist die S-Bahnkrise noch nicht in Sicht, während die Maßnahmen zur Abschaffung der Bahnsteigaufsichten allmählich bemerkbar werden - nun, los geht's:
"Zug Cäsar nach Flughafen Schönefeld Türen schließen! - Zug Cäsar nach Flughafen Schönefeld abfahren!"
(Hintergrundinfo: Die Berliner S-Bahn ist in Zuggruppen organisiert, diese sind kleinteiliger als das Linienkonzept, dafür werden Buchstaben und Ziffern verwendet. Für den Funkverkehr hat jede Zuggruppe einen eigenen Funknamen und die Bahnsteigaufsicht verwendet diese bei der Abfertigung... Auf der S9 verkehren in 2008 die Stammzuggruppe "C" - Cäsar sowie in der Hauptverkehrszeit (HVZ) noch die Zuggruppe "C I" - Celsius.)

Janz so schnelle machen wa uns nich vom Acker - noch stehen dem Triebfahrzeugführer (also mir!) einige Minuten Pausenzeit zu. Lebhafter Betrieb ist auf den Fern- und Regionalbahnsteigen zu bemerken - es ist Montagnachmittag, das übliche Großstadttreiben an einem Werktag. Unschwer zu erkennen ist, dass in 2008 die Baureihe 485 noch auf der S9 verkehrte. Dennoch: Aus "wirtschaftlichen Gründen" ist bereits eine nennenswerte Zahl dieser Fahrzeuge auf das Abstellgleis verbannt. Einige Jahre später wird man diese "stille Reserve" mit erheblichen Kostenaufwand wieder in Betrieb setzen, um auch nur ansatzweise ein akzeptables Fahrplanangebot als Folge der S-Bahnkrise anbieten zu können.

Kurz hinter Stresow trennen sich die Streckenverläufe von S-Bahn- und Ferngleisen. Bei dem entgegenkommenden "Stadtbahner"-Halbzug der Baureihe 475 handelt es sich um ein Museumsfahrzeug. Beim Verein "Historische S-Bahn Berlin e.V." konnte man einen solchen Zug auch für private Anlässe chartern - die finanziellen Mittel vorausgesetzt.

Am S-Bahnhof Olympiastadion herrscht bei Sport- oder Musikveranstaltungen Hochbetrieb: Neben den beiden regulären Bahnsteiggleisen stehen dann weitere acht Gleise an den Sonderbahnsteigen zur Verfügung. Logistisch ist die Verkehrsabwicklung zur An- und Abreise eine hochinteressantes Schauspiel für den Verkehrsinteressierten. Aber an diesem Montag sind die Zugänge zu den Sonderbahnsteigen mangels Veranstaltung abgesperrt.

Während die S9 am S Westkreuz Einfahrt an das äußere Bahnsteiggleis hat, ist die einsetzende S5 (Funkname Emil) aus der Kehranlage zur anderen Bahnsteigkante vorgerückt. Wer allerdings nicht weit an den östlichen Rand der Stadt oder in das Umland reisen will, hat keinen Grund zum Umsteigen: Die S9 fährt zuerst in Richtung Stadtbahn! Die Freude über den planmäßig ablaufenden Zugverkehr scheint die Reisende in einen Schwebezustand versetzt zu haben... 

Am S Charlottenburg ist das Stadtbahnviadukt fast erreicht, hinter dem Bahnhof geht der aufgeschüttete Damm in die gemauerten Stadtbahnbögen über. Gerade trifft der Gegenzug der S9 nach Spandau ein. Auf der gegenüberliegenden Bahnhofsseite wartet der aus der Abstellanlage Berlin-Grunwald kommende Leerreisezug des Berlin-Warschau-Express (BWE) auf Fahrerlaubnis, um seine Fahrt zum Startbahnhof Berlin Hauptbahnhof fortzusetzen.

Auf Höhe des S Bellevue in der Nähe des Amtssitzes des Bundespräsidenten (und auch im Wohngebiet meiner Wenigkeit... - ick fahr dann ma trotzdem weita!) hat der BWE die S9 wieder eingeholt...

Vollkommen untypisch sind die menschenleeren Bahnsteige im Bahnhof Friedrichstraße. In die Gegenrichtung verkehrt ein HVZ-Verstärker der S5 in der Zuggruppe "E I" - Elster zwischen Hoppegarten und Charlottenburg. Die Baureihe 481/482 wird ein Jahr später weitestgehend vom Eisenbahnbundesamt außer Betrieb gesetzt werden und die Stadt Berlin in ein trauriges Verkehrschaos stürzen. In jenem Zeitabschnitt gab es dann tatsächlich vielerorts leere Bahnsteige (und ungenutzte Gleise). Nicht vergessen werden sollte allerdings, dass dieses Chaos ursächlich von Führungskräften der S-Bahn zu verantworten war!


Kurvenreich schlängelt sich die Stadtbahn durch das östliche Stadtgebiet: Hier folgt sie meist dem Verlauf des ehemaligen Berliner Festungsgraben, einer mittelalterlichen Verteidigungsanlage, deren Gelände als Bauland herangezogen werden konnte. Das ist aber alles schon lange, sehr lange her... Während der S-Bahnfahrt begegnen einem auf den Fernbahngleisen eine Vielzahl an Zügen - die Strecke gilt seit mehr als einem Jahrzehnt als "überlasteter Schienenweg", was bisher aber keine nennenswerten Entlastungsmaßnahmen bewirkte.

Einfahrt im Ostbahnhof: Lange Zeit war - und heute ist sie es auch wieder - die S3 eine Domäne der Baureihe 480. In 2008 verkehrte diese Linie ab Berlin Ostbahnhof nach Erkner (na, will noch jemand den Funknamen wissen? - die Zuggruppe "B" hört auf den Namen Berta...). Im Ostbahnhof beginnen und enden eine Vielzahl der Fernzüge, die dann im Werk Rummelsburg restaurieren. Um sich davon einen Eindruck zu verschaffen, wäre ein Umstieg in die S3 nach Erkner erforderlich. Die S9 hingegen wird hinter S Warschauer Straße die Rampe zur Südringkurve am S Ostkreuz erklimmen und dann über die Görlitzer Bahn in Richtung Flughafen Schönefeld weiterreisen. Die Aufgabe allerdings endet streckenbedingt noch vor Erreichen den Spreebrücken am S Treptower Park.
Ein Dankeschön an @RLF für die Erstellung und Veröffentlichung (zu finden bei TheTrain.de) dieser Aufgabe! 
Gruß EGZ